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Montag, 8. April 2019

Steingart

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dpa
Die Weltgeschichte besitzt nachweislich einen Sinn für schwarzen Humor: Kaum hat die NATO in Washington ihren 70. Geburtstag gefeiert, treffen der türkische Präsident und NATO-Verbündete Recep TayyipErdoğan und Russlands Machthaber Wladimir Putin zusammen, um einen kühl kalkulierten Kontrapunkt zu setzen. Schon die Spielstätte ist effektvoll gewählt: Moskau.
Vor zwei Jahren hatte Erdogan den Kauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400 zugesagt. Auf dem gestrigen Treffen im Schatten des Kreml klärten Erdoğan und Putin letzte Details des 2,5-Milliarden-Dollar-Deals. Da haben sich die zwei Richtigen gefunden: Den türkischen Machthaber stört die US-Unterstützung für die Kurden in Syrien und die Weigerung Trumps, den Erdogan-Erzfeind Gülen auszuliefern. Putin wiederum hat das Ziel, die NATO zu schwächen. Neidlos muss man anerkennen: Diesem Ziel ist Putin gestern deutlich näher gerückt.
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Der Westen erodiert auch vor unserer eigenen Haustür. Europa beschwört die transatlantische Freundschaft – und arbeitet an einem Wirtschaftspakt mit den Chinesen. Heute beginnt in Brüssel das 21. Gipfeltreffen zwischen der EU und China. Aus Peking ist Premier Li Keqiang angereist.
Noch bevor die Verhandlungen beginnen, hat China gewonnen, sagt der Bestsellerautor und China-Korrespondent Frank Sieren im Morning Briefing Podcast :
Nie war die Machtposition der EU gegenüber China schwächer.
Denn gegen den Willen der Amerikaner haben sich viele Regierungen Europas bilateral dem chinesischen Investitions-Projekt der „Neuen Seidenstraße“ angeschlossen:
Italien hat sich entschieden, an der Seite Chinas seinen eigenen Weg zu gehen und befindet sich in guter Gesellschaft: Portugal, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Griechenland, Polen, die Slowakei, Slowenien, Ungarn, Malta, Lettland, Litauen, Estland haben ebenfalls Investitionsabkommen mit den Chinesen vereinbart – alle gegen den Willen der EU.
Der Unterschied könnte deutlicher kaum sein: Derweil Amerika seine europäischen Verbündeten oft brüskiert, hat sich China für eine Politik der Verlockungen entschieden. Aus Washington weht es kühl herüber, Peking badet die Europäer im Geld.

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